„Das größte Problem ist der Machismo“ — Interview mit P. Pablo Lopez Martinez LC

Padre Pablo Lopez Martinez LC  ist seit 39 Jahren Pfarrer in Kantunilkín, unserem dritten Einsatzort, einem zwei Autostunden nördlich von Playa del Carmen gelegenen Dorf. In einem Interview berichtet er von der Situation der Frauen dort.

Wenn ich mich hier umschaue, entdecke ich unter den Patienten einige sehr junge Mütter – Mädchen, die deutlich unter 18 sein müssen. Ich vermute, die Frauen heiraten hier sehr jung?

P. Pablo Lopez Martinez LC: Ja, das Heiratsalter der Mädchen hier ist niedrig. Viel zu niedrig. Die Mädchen sind noch nicht erwachsen und werden schon Mutter, das ist ein großes Problem hier. Doch es ist schon viel besser als früher, als ich hier angefangen habe. Die meisten sind immerhin schon 16 oder 17 Jahre alt, wenn sie heiraten. Früher wurden die Mädchen im Dorf oft schon mit 12 Jahren verheiratet. Dagegen habe ich immer angekämpft und habe versucht, die Familien zu überzeugen, noch ein paar Jahre zu warten. Ich habe schon viele schwangere 12-Jährige gesehen und 15-Jährige, die zwei oder drei Kinder hatten. Sie sind selbst noch Kinder und haben nicht die Zeit, die sie brauchen, um erwachsen zu werden. Sobald sie verheiratet sind, gehen sie nicht mehr zur Schule. Das war oft das Schicksal der Mädchen, doch damit wollte ich mich nie abfinden.

Wie ist sonst die Situation der Frauen hier? Werden sie von ihren Männern respektiert?

P.L.M.: Nein, die Situation der Frauen ist oft wirklich desolat. Viele versuchen mit Mühe, Geld aufzutreiben, um ihre Kinder durchzubringen. Die wenigsten haben einen Beruf gelernt. Von ihren eigenen Ehemännern bekommen sie oft kein Geld. Hier sind viele Männer alkoholabhängig. Das größte Problem ist aber der ausgeprägte Machismo, der die Familien völlig zerstört. Viele Frauen machen Gewalterfahrungen, sie werden von ihren Männern geschlagen. Trotzdem lassen sie sich nicht dazu bewegen, zur Polizei zu gehen, denn sie haben große Angst. Allerdings kann man heute schon eine leichte positive Entwicklung wahrnehmen, weil die Mädchen wenigstens zur Schule gehen.

Wie kann man die Situation der Mädchen und Frauen weiter verbessern?

P.L.M.: Das ist eine schwierige Frage. Die Regierung kennt nur zwei Methoden: Kontrazeptiva oder Abtreibung – damit die Frauen weniger Kinder bekommen. Für beides machen die staatlichen Gesundheitszentren viel Werbung. Die Kirche ist mit diesen Methoden nicht einverstanden. Man muss an einem anderen Punkt ansetzen. Denn solange die Mädchen keine Bildung haben, ändert sich gar nichts. Allein Bildung und Aufklärung können die Frauen stärker machen.

Sie arbeiten schon sehr lange hier. Würden Sie es als Ihre Berufung bezeichnen, bei den Menschen hier zu sein?

P.L.M.: Ja, sie sind das Wichtigste für mich. Manchmal denke ich mit ein wenig Sehnsucht an die Zeit früher zurück. Ich war in Salamanca Professor für Latein und Griechisch. Von der Uni ins Mayadorf zu wechseln, war für mich nicht ganz einfach. Ich würde gerne wieder unterrichten, habe aber keine Möglichkeit dazu. Doch mein Platz ist hier und nirgendwo anders. Besonders schwer war es für mich am Anfang, die Sprache der Maya zu lernen. Ich bin sehr gut darin, geschriebene Sprachen zu lernen, doch Bücher, aus denen ich lernen konnte, gab es hier nicht.