Freitag, 26. Februar 2010: 1.000 Patienten in einer Woche behandelt

In der ersten Woche wurden mehr als 1.000 Patienten behandelt. Viele von ihnen wurden von zwei oder mehr Ärzten untersucht. Dr. Gerhard Klein, Psychiater und Neurologe, und Dr. Christoph Kunkel, Arzt für Allgemeinmedizin, ziehen in einem Gespräch eine Zwischenbilanz.

War es eine anstrengende Woche für Sie?

Dr. Gerhard Klein
Dr. Gerhard Klein

Dr. Klein: „Wenn man etwas mit Freude macht, ist es nicht anstrengend. Es war eine sehr erfüllende Woche. Die Patienten hier sind sehr dankbar, wenn man sich ihnen zuwendet.“

Über welche Beschwerden haben Ihre Patienten – die meisten sind Maya – besonders oft geklagt?

Dr. Kunkel: „Über Schulterschmerzen, Kniegelenksbeschwerden, Kopfschmerzen, bewegungseinschränkende Symptome. Eine der Ursachen ist Überarbeitung, denn die Maya verrichten oft körperlich anstrengende Arbeiten, z. B. auf den Feldern oder in Hotels. Außerdem hatten viele in ihrer Kindheit vermutlich Rachitis, – auch dies kann eine Ursache für die Deformierung der Kniegelenke sein. Bei den Frauen kommen oft Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck hinzu – eine Folge von Fehlernährung.“

Dabei bietet die Natur hier doch ein gutes Angebot an Nahrung, überall wächst Obst und Gemüse. Andererseits sieht man in den Maya-Dörfern auf dem Boden oft verfaulte Früchte liegen, Orangen, Bananen ...

Dr. Klein: „Die Maya nutzen dieses Ernährungsangebot nicht gut, sie ernähren sich zu einseitig – hauptsächlich von Mais, importiertem Reis und schwarzen Bohnen. Auf diese Weise nehmen sie zu viele Kohlenhydrate auf. Außerdem wird zu viel Cola und Limonade getrunken, das führt natürlich zu Übergewicht. Das Leitungswasser hier ist verunreinigt, und im Supermarkt ist Cola billiger als Trinkwasser. Ein weiteres Problem ist die einseitige und nur arbeitsbezogene Bewegung: Es fehlt ein Ausgleichssport.“

Spielen Alkoholprobleme eine Rolle?

Dr. Klein: „Ja. Oft kommen Frauen zu uns, deren Männer Alkoholiker sind. Diese Frauen klagen zunächst über Nervosität, Schlafstörungen oder Konzentrationsstörungen. Sie zeigen damit das Verhalten eines Co-Alkoholikers, der zu Selbstvorwürfen neigt. Erst im Verlauf des Gesprächs zeigt sich, dass der Ehemann Alkoholiker ist. Den Frauen ist oft nicht klar, wie ihre Beschwerden und die Alkoholabhängigkeit der Männer zusammenhängen. Darauf müssen wir sie erst aufmerksam machen.“

Wie präzise beschreiben die Maya im Allgemeinen ihre Beschwerden?

Dr. Christoph Kunkel
Dr. Christoph Kunkel

Dr. Kunkel: „Ziemlich präzise. Auch wenn ihre sprachliche Fertigkeit nicht immer sehr ausgeprägt ist, können sie doch recht präzise sagen, wo der Schuh drückt. Sie können z. B. deutlich beschreiben, dass sie bewegungseinschränkende Symptome im Bereich von Nacken, Schultern, Halswirbelsäule haben. Wichtig ist für sie aber auch, dass Symptome nicht isoliert betrachtet werden. Sie wollen einerseits das Symptom, andererseits die Störung ihres Gesamtbefindens erfassen.“

Dr. Klein: „Meine Patienten neigen oft dazu, sich selbst zu beobachten und können deshalb ihre Schmerzen gut beschreiben. Das kann allerdings bis zur Hypochondrie führen: Es sind zwar keine körperlichen oder organischen Ausfälle zu finden, aber durch unbegründete Ängste werden die Organfunktionen gestört.“

Und auf solche Zusammenhänge müssen Sie Ihre Patienten natürlich erst aufmerksam machen, damit sich ihre Situation verbessern kann. Was können Sie sonst noch tun, damit sich ihr Leben langfristig ändert?

Dr. Klein: „Zunächst müssen wir bei ihnen ein Bewusstsein dafür herstellen, woher ihre Beschwerden kommen: Oft sind sie nicht rein organisch bedingt. Auch das seelische Befinden spielt eine Rolle, Lebensgewohnheiten, Ernährungsgewohnheiten ...“

Dr. Kunkel: „Im Idealfall sollten die Patienten lernen, eine neue Lebenswirklichkeit zu gestalten: in der praktischen Ausübung von Bewegung und gesunder Ernährung. Die Lebensführung soll maßvoll und harmonisch sein.“

Können Sie das den Maya vermitteln?

Dr. Kunkel: „Ernsthaft kranken Patienten und ihren Angehörigen kann man das vermitteln.“

Dr. Klein: „Wir geben auch praktische Hilfestellung: So erklären wir z. B. Gymnastikübungen, die die Patienten zuhause machen können. Bei der letzten Medical Mission wurden wir von mexikanischen Studenten unterstützt, die Kurse in Ernährungslehre gegeben haben. Längerfristige Maßnahmen werden oft von den Kirchengemeinden organisiert, mit denen wir vor Ort eng zusammenarbeiten.“