Diabetes: Erstberatung nach 28 Jahren

Als wir am letzten Montag in Felipe Carrillo Puerto arbeiteten, kam die 34-jährige Maria* in die Sprechstunde. Sie war stark unterernährt. Seit ihrem sechsten Lebensjahr leidet sie an einem Diabetes mellitus Typ 1 und ist auf Insulin angewiesen. In den letzten zwei Jahren habe sie viel abgenommen, erzählte sie. Außerdem sei sie vor einiger Zeit wegen einer Niereninfektion im Krankenhaus gewesen. Die Ursache für ihren Gewichtsverlust sei dort nicht geklärt worden.

Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie zuletzt vor acht Monaten Insulin bekommen hatte. Denn das Gesundheitszentrum in ihrem Dorf hatte keines vorrätig. Der erste Schritt war es für uns also, ihr Insulin zu besorgen. Dabei half uns Daniel Esquivel -- er ist der Vater von Addy Esquivel, einer Psychologin, die uns seit Jahren auf unseren Einsätzen unterstützt. Herr Esquivel nahm mit einem Arzt Kontakt auf, der in einem Krankenhaus in der Nähe arbeitet. Dort konnten wir das Insulin für Maria bekommen. Der Arzt gab ihr eine Kontaktadresse. Falls das Gesundheitszentrum in ihrer Nähe wieder kein Insulin vorrätig hat, kann sie sich nun an ihn wenden.

Doch das Problem war damit noch nicht gelöst. Denn Maria wusste sehr wenig über ihre Krankheit. Ihr war nicht klar, was Diabetes eigentlich ist und wie sehr ihr Leben davon beeinflusst wird. Bisher hatte ihr das noch niemand erklärt – obwohl sie schon seit fast dreißig Jahren an dieser Krankheit leidet.

Deshalb war es für sie wichtig, dass wir sie beraten konnten. Dr. Stephanie Hagan, unsere Logistik-Chefin, ist promovierte Pharmazeutin und zertifizierte Diabetes-Beraterin. „Marias Untergewicht war eine Folge des Diabetes, die Niereninfektion ebenso. Außerdem hat sie in den Fingern schon teilweise das Gefühl verloren. Auch das hängt mit dem Diabetes zusammen“, erklärt sie.

Stephanie führte mit Maria und ihrer Familie -- sie sind alle Maya -- ein langes Gespräch. Maria spricht nicht Spanisch, aber ihr Ehemann konnte für sie übersetzen. „Marias Antworten haben gezeigt, dass sie gar nicht wusste, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen soll“, erzählt Stephanie. Schritt für Schritt zeigte sie ihr, wie sie das Insulin richtig spritzen soll, und erklärte ihr außerdem, wie man es lagert. Sie klärte sie auch über die Spätfolgen von Diabetes, wie zum Beispiel Augenschäden, auf: „Viele Folgen treten erst 20 oder 30 Jahre nach dem Beginn der Erkrankung auf“, erklärte Stephanie. „Bei der Behandlung von Diabetes geht es auch darum, solche Spätfolgen zu vermeiden. Maria weiß nun, dass sie nicht einen einzigen Tag ohne Insulin sein darf.“

Maria war dankbar, weil sie nun endlich, nach fast 30 Jahren, über ihre Krankheit aufgeklärt worden war. Es war das erste Mal, dass jemand ausführlich mit ihr darüber gesprochen hatte. Nun weiß sie, wie sie weitere Folgen vermeiden kann.

*Name geändert